Persönliche Beziehung

Beziehung zwischen Betreuer und Kranker

«Ich habe meinen Vater immer für einen sturen, einzelgängerischen und hart arbeitenden Menschen gehalten. Jetzt habe ich einen gefühlvollen, freundlichen und zärtlichen Vater in ihm entdeckt. Diese Seite seiner Persönlichkeit war immer verborgen, vielleicht als Folge von Schamgefühlen oder Hemmungen. Dank der Alzheimer-Krankheit habe ich das jetzt herausgefunden.»

«Meine Frau und ich hatten eine sehr enge körperliche Beziehung, aber seit vor 4 Jahren die Diagnose gestellt worden ist, hat sie ihr Interesse allmählich verloren. Am Anfang hat mir das sehr viel ausgemacht, aber wir schlafen noch immer in einem Bett und das hilft mir, mich nahe bei ihr zu fühlen. Es ist etwas, das ich zu akzeptieren gelernt habe.»

Ihre Beziehung zu der betroffenen Person hat sich durch die Krankheit wahrscheinlich etwas verändert. Verhaltensstörungen wie Argwohn, falsche Verdächtigungen, Wahnvorstellungen und Aggressivität können jede Beziehung stark belasten. Manche Angehörigen haben den Eindruck, daß der Kern der Beziehung verloren und der Kranke nicht mehr derselbe Mensch ist. Als folge von Verständigungsschwierigkeiten und Gedächtnisstörungen kann es immer schwieriger werden, Erfahrungen und Erinnerungen zu teilen. Vielleicht haben Sie sogar das Gefühl, einen Begleiter und Vertrauten verloren zu haben. Sie können sich isoliert und alleingelassen fühlen. Genauso kann es dem Kranken gehen, der Sie vielleicht nicht mehr erkennt.

Wenn der Patient auch Ihr sexueller Partner ist, werden sich in einem bestimmten Stadium der Krankheit Veränderungen in Ihrem Sexualleben einstellen. Auch wenn Sex nicht immer ein Problem ist, werden Sie feststellen, daß die Bedürfnisse und Interessen des Demenzkranken sich ändern. Vielleicht verliert er sein Interesse an Sex oder wird andererseits besonders fordernd. Auch wenn es Ihnen gelingt, sich an diese veränderten Bedürfnisse anzupassen, fühlen sie sich dennoch unbehaglich, frustriert, zurückgewiesen oder sogar schuldig wegen Ihrer eigenen sexuellen Wünsche. Möglicherweise vermissen Sie den körperlichen Kontakt und die Berührungen, die zu einer sexuellen Beziehung gehören. Für manche Menschen ist es schwierig, die Rollen des Pflegenden mit der des Sexualpartners in Einklang zu bringen, oder sie finden die Veränderungen in der Persönlichkeit des Kranken abstoßend. Wenn Sie jedoch Ihr Verhalten anpassen und an die veränderten Bedürfnisse des Demenzkranken denken, kann es Ihnen gelingen, eine befriedigende Beziehung aufrecht zu erhalten und sogar Eigenschaften entdecken, von denen Sie gar nichts wußten. Sie sollten aber auch eine Lösung für Ihre eigenen Bedürfnisse finden, die ebenso wichtig sind.

Wie Sie mit Veränderungen Ihrer persönlichen Beziehung umgehen

Die Veränderungen in Ihrer Beziehung
Im Laufe der Krankheit können sich Persönlichkeit und Eigenschaften des Patienten erheblich ändern. Vielleicht empfinden Sie diese Veränderungen als Verlust und als etwas Negatives. Auch können die Veränderungen für Sie eine ganz bestimmte Bedeutung haben, wie der Wandel der Rollen, der Verantworlichkeit oder der Machtverteilung. Es ist nicht immer leicht, sich daran anzupassen, denn das Hinnehmen von veränderten Rollen bedeutet auch, sich mit anderen Verlusten abzufinden. Zum Beispiel kann der Verlust der Ehefrau auch den Verlust einer Köchin, einer Chauffeuse oder einer Organisatorin bedeuten. Wenn man für die persönliche Hygiene sorgen und größere Verantwortung tragen muß, kann das manchmal auch das Überschreiten von Grenzen beinhalten. Das kann für Sie sehr schwer sein, vor allem wenn der Kranke in der Vergangenheit für Sie gesorgt hat. Wenn es Ihen aber gelingt, sich mit Veränderungen und Verlusten abzufinden, finden Sie vielleicht neue Eigenschaften bei sich selbst und sehen eventuell sogar eine Seite der Person des Kranken, die zuvor verborgen war.

Wie Sie mit Ihren eigenen körperlichen Bedürfnissen umgehen
Es kann sein, daß Sie sexuelle Wünsche haben, diese aber mit Ihrem Partner nicht befriedigen können. Ihre sexuellen Bedürfnisse werden aber nicht über Nacht verschwinden und es ist nicht selbstsüchtig, wenn Sie eine Lösung dafür suchen. Es gibt ein paar mögliche Wege dafür. Sie könnten Beispiel eine sexuelle Beziehung zu einem anderen Partner haben oder sich selbst befriedigen. Manche Menschen zögern aus moralischen oder religiösen Überzeugungen, eine solche Lösung zu suchen oder sie schämen sich und ziehen es vor, ihre Energie in anderer Weise zu kanalisieren.

Wie Sie mit den veränderten sexuellen Bedürfnissen des Demenzkranken zurechtkommen
Wenn der Demenzkranke Ihr Sexualpartner ist, können Sie vielleicht noch gemeinsam schlafen und sich berühren und streicheln, ohne einen richtigen sexuellen Kontakt zu haben. Manche Menschen sind erstaunt, wenn sie feststellen, wie sehr sie die Nähe vermissen, die eine sexuelle Beziehung geben kann. Wenn sie den körperlichen Kontakt aufrecht erhalten, kann Ihnen das helfen, den Verlust der sexuellen Seite Ihrer Beziehung leichter zu überwinden. Auf der anderen Seite ziehen Sie es vielelicht vor, in getrennten Betten oder Zimmern zu schlafen. Das kann hilfreich sein, wenn der Demenzkranke zur Aggressivität neigt, weil seine sexuellen Wünsche nicht erfüllt werden.

Es kann auch sinnvoll sein, wenn Sie den Patienten dazu ermutigen, sich selbst zu befriedigen. Sie sollten keine Schuldgefühle entwickeln, wenn Sie zu solchen Mitteln greifen, denn auf diese Weise können Sie eine befriedigende Beziehung erhalten. Es kann sein, daß der Patient zwar an Sex Interesse hat, aber Schwierigkeiten bekommt, die ihn ängstigen oder frustrieren. Vielleicht hat er die üblichen Praktiven des Vorspiels und des Geschlechtsaktes vergessen. In diesem Fall können Sie verstärkt die Führung übernehmen und neue Möglichkeiten der sexuellen Befriedigung ausprobieren. Sie können auch versuchen, einen nicht-sexuellen Weg der Intimität in Ihrer Beziehung zu finden, zum Beispiel Arm in Arm gehen oder die Schultern massieren.

Medikamente
Manche Demenzkranke verhalten sich aggressiv, wenn ihre sexuellen Wünsche nicht erfüllt werden. Sie müssen daher an Ihre eigene Sicherheit denken. Wenn das Problme außer Kontrolle zu geraten droht, kann Ihnen vielleicht Ihr Arzt helfen. Er kann Medikamente verordnen, die die sexuellen Bedürfnisse Ihres Partnern mindern. Möglicherweise haben diese Medikamente Nebenwirkungen, aber Sie müssen an Ihre Sicherheit denken und einen Ausweg finden.

Sprechen Sie über Ihre Gefühle mit einer Person Ihres Vertrauens
Es kann Ihnen helfen, wenn Sie über Ihre Gefühle und Probleme mit einer Person Ihres Vertrauens sprechen. Falls es Ihnen unangenehm ist, über diese Fragen mit einem Mitglied Ihrer Familie oder mit einem nahen Bekannten zu sprechen, fällt es Ihnen vielleicht leichter, sich an einen Arzt, Sozialpädagogen oder Psychotherapeuten zu wenden, der sich mit dem Krankheitsbild und mit den Schwierigkeiten auskennt, die daraus folgen. Er kann Ihnen dabei helfen, Ihre Gefühle zu entwirren. Die Aussprache mit anderen Menschen ändert zwar die Situation nicht, aber sie kann es Ihnen leichter machen, mit Dingen zurecht zu kommen, die Sie belasten und Entscheidungen zu treffen. Die Aussprache in Angehörigengruppen gibt Ihnen das Gefühl, daß Sie nicht allein und nicht anormal sind. Sie kann Ihnen auch einmal die Gelegenheit geben, über Ihre Probleme zu lachen oder zu weinen.

source Alzheimer-europe.org - der Alltag 7.08.2007